In der Parascha dieser Woche wird zunächst Strafe für das Verletzen der eigenen Eltern erwähnt, und danach die Strafe für das Verfluchen der Eltern. Raschi erklärt dazu, dass das Verfluchen sogar schlimmer als das Verletzen ist. Doch es ist schwer begreiflich, weshalb das Verfluchen der Eltern, so schlimm es auch ist, die Todesstrafe rechtfertigt.
In den Zehn Geboten gibt es eine gewisste Struktur: Die Gebote auf der ersten Tafel betreffen das Verhältnis zwischen Mensch und G'tt, während auf der zweiten Tafel Gebote stehen, die das zwischenmenschliche Verhalten regeln. Bereits der Ramban merkte aber an, dass die Positionierung des Gebotes, Vater und Mutter zu ehren auf der ersten Tafel einer Erklärung bedarf.
Eine Erklärung betrachtet das Gebot nicht nur als zu erreichendes Ziel, sondern auch als Mittel, um die Weitergabe der Tora zu gewährleisten. Wenn Kinder ihre Eltern respektieren und auf sie hören, können Gesetze und Traditionen weitergegeben werden. Jemand, der seine Eltern verflucht und damit das Ehren der Eltern in sein Gegenteil verkehrt, unterbricht damit diese Kette der Weitergabe der Tora.
Da die Tora an anderer Stelle auch als unser Leben bezeichnet wird und uns in ihnrem Verdienst ein langes Leben versprochen wird, ist auch klar, weshalb diese Sünde mit dem Tode bestraft wird.


Die Tora ist nicht durchgehend in chronologischer Abfolge geschrieben. So kommt es, dass in der Parascha dieser Woche Ereignisse beschrieben werden, die vor der Toragabe stattfanden, die in der Parascha der Vorwoche beschrieben wurde.
Mosche las dem Volk aus dem "Buch des Bundes" vor. Es gibt zwei Meinungen unserer Weisen, was in diesem Buch stand. Rebbi meint, dass es sich um die sieben Gebote handelt, die für alle Menschen gelten, sowie um die ersten Gebote, die dem Volk bereits vor der Torahgabe mitgeteilt wurden: Ehren der Eltern, Reinigung durch die Rote Kuh, sowie der Schabbat. Eine andere Meínung, von Rabbi Jossi beRabbi Assi, besagt, dass es sich um das gesamte Buch Bereschit, sowie alle bisherigen Ereignisse aus dem Buch Schmot handelte.
Doch weshalb las Mosche zu diesem Zeitpunkt aus dem Buch Bereschit? Basierend auf dem Ausspruch des Ramban "Die Taten der Väter sind den Kindern ein Zeichen" und dem Grundsatz, dass anständiger Umgang der Torah vorausgeht, erklärt der "Divrei Chaim" von Zans, dass Mosche dem Volk das Buch Bereschit vorlas, in dem das Verhalten unserer Vorfahren beschrieben wird, damit es den richtigen Umgang mit Rückschlägen und das richtige Benehmen lernen konnte, bevor es die Tora empfangen konnte. Im Anschluss an diese Vorlesung sagte das Volk dann den berühmten Ausspruch: "Alles, was G'tt gesprochen hat, werden wir machen und hören" und konnte die Tora in Empfang nehmen.
In diesem Sinne können wir auch eine Stelle am Anfang von Paraschat Jitro verstehen. Jitro erklärt seinem Schwiegersohn, dass er dem Volk den Weg, den sie gehen sollen, und die Taten, die sie erfüllen sollen, mitteilen soll. Die Gemara erklärt, dass er sich hier auf die Mizwot der Wohltätigkeit, des Krankenbesuchs, des Begrabens einer Leiche, des Rechtswesens und des freiwilligen Hinausgehens über rechtliche Verpflichtungen bezieht. Der Chafez Chaim erklärt nämlich, dass es schlicht zu weniger Streitigkeiten und Klärungsbedarf über die genauen Regelungen kommen wird, wenn die Leute sich angewöhnen, etwas für den Nächsten zu tun und von sich anderen zu geben. Genau wird es jemandem, der es sich angewöhnt, etwas für andere zu tun, was mit all den erwähnten Geboten einhergeht, leichter fällt, auch etwas für G'tt zu tun und sich an seine Gebote zu halten.


 

Dies aber sind die Rechtsordnungen, die du ihnen vorlegen sollst.


Rechtsordnungen kann man lernen, lehren, erklären, verstehen, aber sie vorzulegen ist ungewöhnlich. Raschi erklärt, dass G'tt zu Mosche sagte, dass er nicht denken sollte, es reicht, dem Volk die Tora zwei- oder oder dreimal beizubringen. Er muss sie dem Volk ausführlich erklären, bis sie wie ein gedeckter Tisch für sie sind, an dem man ohne jede weitere Vorbereitung essen kann. Genauso soll das Volk die Tora und die Gebote genau kennen, sodass alle Gebote ohne weitere Vorbereitung eingehalten werden können.
Der Maharal liest das Wort "lifnehen - vor ihnen" als "lipnehem - zu ihrem Angesicht." Er erklärt, dass das Gericht den Parteien die Rechtslage vorhalten und ihnen mit einem freundlichen Gesicht begegnen soll. In diesem Fall können sie das Urteil annehmen besser. 
Der Talmud Jeruschalmi entnimmt diesem Pasuk eine Regelung für rabbinische Gerichte: Nach den Vorbringen der Parteien muss der Richter die Positionen beider Parteien zusammenfassen und vortragen. Ein Vorbild hierzu gibt es bei König Schlomo beim bekannten Urteil bezüglich des Babys, das von zwei Frauen als das ihre bezeichnet wurde. Auch er fasste beide Positionen zusammen, bevor er urteilte. Wenn so beide Parteien merken, dass sie gehört und ihre Argumente berücksichtigt wurden, können sie das Urteil leichter annehmen.
Dieser Gedanke betrifft aber nicht nur Richter, sondern jeden an einer Meinungsverschiedenheit beteiligten: Wenn man die andere Position wiederholt, merkt der andere, dass er gehört und beachtet wird, wodurch es leichter ist, den anderen zu überzeugen. 


Die Parascha dieser Woche behandelt neben vielen anderen Bestimmungen auch diejenigen über jüdische Knechte. Diese mussten ihren Herren bis zu sechs Jahre dienen, kamen dann aber frei. Wenn der Knecht aber freiwillig länger bei seinem Herren bleiben wollte, wurde er zu einem Türpfosten gebracht und ein Pflock wurde durch sein Ohr in den Pfosten gestochen. Nach dieser Prozedur blieb er dann bis zum nächsten Jowel-Jahr bei seinem Herren. Raschi zitiert die Gemara, wonach das Ohr zu leiden hatte, da das Ohr, das am Berg Sinai gehört hatte "Du sollst nicht stehlen" hätte wissen sollen, dass man nicht stehlen darf. (Ein Dieb, der seine Schulden nicht zurückzahlen konnte, wurde als Knecht verkauft.) Doch wäre es nicht naheliegender, zum Beispiel die Hand zu durchstoßen, die jemandem etwas weggenommen hat?
Raw Zwi Pessach Frank erklärt einen Pasuk bei der Torahgabe aus der Parascha der Vorwoche dahingehend, dass die Stimme von der Toragabe am Sinai nie aufgehört hat, das heißt, sie verbreitet sich bis heute. Dementsprechend muss das Ohr auch weiter auf die Stimme hören. Die Gemara sagt uns also, dass dieses Ohr die Gebote (nur) am Sinai gehört hat, damit danach aber nichts mehr weiter gemacht hat und die Worte nicht andauernd weiter hört und verinnerlicht. Deshalb sagt die Tora auch, dass Jitro zum jüdischen Volk stieß, nachdem er von den Wundern hörte und diese Botschaft verinnerlichte, und deshalb sagen wir im "Schma Israel", dass wir die Gebote hören und verinnerlichen müssen.


 Wenn ein Ochse einen Mann oder eine Frau stößt und er/sie stirbt (...)

Der Alschich beschäftigt sich mit der Frage, weshalb die Tora nicht schlicht schreibt: "Wenn ein Ochse einen Mann oder eine Frau tötet." In diese Formulierung findet sich nämlich eine wichtige Grundlage des Glaubens: Es ist richtig, dass der Ochse den Menschen gestoßen hat. Doch nicht er hat ihn getötet, sondern G'tt. Es war diesem Menschen vorbestimmt, zu sterben, sonst hätte der Ochse nicht die Möglichkeit gehabt zu töten. Daher steht: Ein Ochs stößt - aber der Mensche stirbt, weil G'tt es für ihn so festgelegt hat.
Dies gilt natürlich allgemein. Auch wenn ein Mensch einem einen Schaden zufügt, darf er das natürlich nicht und erhält dafür seine Strafe. Aber der Täter ist nur eines der vielen Mittel, die G'tt einsetzen kann und wir dürfen dem Täter keinen Vorwurf machen sondern müssen uns überlegen, weshalb wir diesen Schaden verdient und daher erlitten haben.


Zwischen dem Bericht über die Zehn Gebote in der Parascha der Vorwoche und den diversen zivilrechtlichen Anordnungen in dieser Woche stehen Bestimmungen über den Bau eines Altars, zum Beispiel, dass dieser nicht aus gehauenen Steinen hergestellt werden darf. Raschi beschäftigt sich mit der Bedeutung der Positionierung dieser Bestimmung über den Altar direkt vor den zivilrechtlichen Bestimmungen, wo doch die beiden Themen scheinbar keinen Zusammenhang haben. Er erklärt, dass wir daraus lernen können, dass das Sanhedrin, der oberste jüdische Gerichtshof, räumlich in der Nähe des Heiligtums stehen soll.
Der Ba'al Hasera Schimschon erklärt den tieferen Zusammenhang, zwischen den beiden Themen Gericht und Heiligtum. Letzteres hat nicht nur für Juden eine Bedeutung. Auch Nichtjuden können hinkommen und sogar Opfer bringen. Das geht soweit, dass der Midrasch sagt, dass die Nichtjuden den Tempel bewachen würden, wären sie sich der Bedeutung bewusst, die er für sie hat.
Doch genauso hat auch das Sanhedrin eine Bedeutung für Nichtjuden. Während es nämlich verboten ist, mit Nichtjuden Tora zu lernen, spricht nichts dagegen, dass zwei nichtjüdische Personen ihren Rechtsstreit vor ein jüdisches Gericht bringen, sogar vor das Sanhedrin. Und tatsächlich ist bekannt, dass einige der geistigen Führer des Judentums gebeten wurden, Rechtsstreitigkeiten zwischen Nichtjuden zu klären. Diese grundlegende Bedeutung dieser beiden Institutionen, Gericht und Heiligtum, für die gesamte Menschheit ist es, was sie verbindet und hier liegt der Grund für ihre Nähe sowohl in den Psukim der Tora als auch buchstäblich-örtlich, wie Raschi uns erklärt.


In der dieswöchigen Parascha kommt der berühmte Ausspruch des Volkes "Na'asse wenischma" - "wir werden machen und wir werden hören" vor. Naheliegenderweise stellt sich die Frage, wie man die Gebote G'ttes ausüben kann, bevor man sie überhaupt gehört hat; mit anderen Worten: Die Reihenfolge der Worte scheint vertauscht zu sein.

Bei der Verkündung der 10 Gebote steht, dass das ganze Volk "die Stimmen sah." Raschi erklärt, dass dies wörtlich zu nehmen ist; es handelte sich um ein einmaliges Wunder, durch das jeder einzelne tatsächlich Stimmen mit den Augen erfassen konnte. Doch weshalb hat G'tt dieses Wunder gemacht? Einer Erklärung nach konnte so sichergestellt werden, dass die Tora vollständig über viele Generationen weitergegeben werden kann. Normalerweise geht bei jeder Weitergabe von einer Person zur nächsten ein, wenn auch kleiner Teil verloren. Doch G'tt ließ das ganze Volk die Tora so unmittelbar erfahren, dass sie sogar Stimmen sehen konnten. Und deshalb sagte das Volk dann auch: Wir werden (weiter) machen und die Überlieferung so hören, als hätten wir sie buchstäblich gesehen.


 In der Parascha dieser Woche werden unter anderem die Bestimmungen für Knechte erläutert. Ein Dieb, der das Diebesgut zuzüglich einer Strafzahlung nicht zurückstellen kann, wird von der Tora dazu gezwungen, seine Schuld als Knecht abzuarbeiten. Diese Knechtschaft ist auf sechs Jahre begrenzt. Eine Verlängerung ist nur auf ausdrücklichen Wunsch des Knechts hin möglich, woraufhin ihm das Ohr durchstochen wird und er bis zum nächsten Jowel-Jahr Knecht bleibt.

Die Gemara erklärt, dass ausgerechnet das Ohr ausgewählt wurde durchstochen zu werden, um zu symbolisieren, dass das Ohr, das am Berg Sinai gehört hat, dass man nicht stehlen darf, nicht zulassen würde, dass man jemanden bestiehlt. Doch warum wird das Ohr dann nicht sofort durchstochen, nachdem der Diebstahl begangen wird, sondern erst, wenn der Dieb seine Knechtschaft verlängern will?

Anscheinend war die bisherige Knechtschaft keine Strafe für den Dieb, sonst würde er sie nicht verlängern wollen. Es handelt sich also um eine Strafe für das fehlende Bewusstsein, etwas falsches getan zu haben und eine Strafe zu verdienen.

Tatsächlich hat natürlich auch das Ohr eines Diebes gehört, dass man nicht stehlen darf. Doch zwischen schlichtem Hören und Zuhören, Verinnerlichen besteht ein großer Unterschied. Ein Mensch muss nicht nur passiv hören, was die Gebote und Verbote sind, sondern auch darüber nachdenken und sich mit ihnen beschäftigen, damit er sie nicht G'tt behüte übertritt.


 In der Gemara steht, dass die frommen Menschen in Jeruschalajim nur zu einer Mahlzeit gingen, wenn sie wussten, wer mit ihnen an dieser Mahlzeit teilnehmen wird. Erst wenn sie das wussten, entschieden sie, ob sie teilnehmen. Auch der Schulchan Aruch schreibt diesen Vorgehen vor, denn es ist eine Schande für Zaddikim, mit Bösewichten am Tisch zu sitzen.

Diese Woche steht in der Parascha: "Stelle deine Macht nicht einem schlechten Menschen zur Seite, um ein falscher Zeuge zu sein." Doch wieso befiehlt die Tora nicht einfach, dass man keine falsche Zeugenaussage abgeben soll? Die ausführlichere Formulierung bedarf einer Erklärung.

Der Chatam Sofer erklärt diese Stelle mit einer Stelle aus der Gemara im Traktat Joma. Dort steht, dass jemandem, mit dem Rejsch Lakisch zusammen gesehen wurde, Geld geborgt wurde, ohne auf Zeugen für dieses Darlehen wertzulegen. In diesem Sinne ist der Passuk so zu verstehen: Hilf nicht einem schlechten Menschen, in dem du ihn in deiner Nähe sein lässt. Denn damit bezeugst du fälschlich seine  Glaubwürdigkeit und Redlichkeit.

Diese Erklärung des Chatam Sofer macht auch die erste zitierte Gemara-Stelle klarer: Wenn die frommen Menschen Jeruschalajims mit problematischen Personen an einem Tisch gesessen wären, hätten sie damit letzlich ihre eigene Glaubwürdigkeit zerstört, wenn man die Leute, mit denen sie bei der Mahlzeit waren deshalb für redliche Leute hielt. Und das wäre, wie es der Schulchan Aruch sagt, eine Schande für die Zaddikim.

Auch wir müssen also darauf achten, mit wem wir uns umgeben, mit wem wir unsere Zeit verbringen, und mit wem wir in den Augen unserer Mitmenschen verbunden werden, damit wir unsere eigene Glaubwürdigkeit nicht zerstören.


Die Parascha dieser Woche beginnt mit den Worten "Und das sind die Gesetze." Anschließend folgen eine Reihe von Vorschriften über Sklaven, Schadenersatz und andere privatrechtliche Bereiche. Raschi erklärt, dass das Wort "und" uns hier erklärt, dass diese nun folgenden Vorschriften genauso wie die zehn Gebote, die am Ende der letzten Parascha gegeben wurden, dem Volk am Berg Sinai gegeben wurden.

Anschließend steht, dass Mosche diese Gebote "lifnehem", also "vor" das Volk legen soll.

Es gibt mehrere Erklärungen für das Wort "lifnehem": Raschi sagt, dass die Tora damit befiehlt, dass man die Gebote dem Volk gut aufbereitet und mit ausreichenden Erklärungen präsentieren soll, damit es sie auch verstehen kann.

Nach einer anderen Erklärungen ist "vor" dem Volk zeitlich gemeint: Diese Gebote gab es schon, bevor es die Menschen gab. Sie sind, anders als von Menschen gemachte Bestimmungen, für immer geltend und nicht Gegenstand von regelmäßigen Änderungen. Jemand, der heute unkoscher isst, begeht die gleiche Sünde, wie jemand, der dies vor tausend Jahren tat. Bei von Menschen geschaffenen Gesetzen ist das nicht so: Was heute streng verboten ist, kann in eingien Jahren erlaubt und sogar üblich sein.

Eine dritte Erklärung schließlich sagt, dass die Bestimmungen vor die Menschen gelegt werden sollen, denn nur diese bestimmen, jeder für sich selbst, wie eine Übertretung zu bestrafen ist. Wenn jemand bei jedem anderen, der ein Verbrechen begeht, sofort eine hohe Strafe fordert, wird er, wenn er selbst eine Sünde begeht, nicht milde beurteilt werden. Wenn im Gegenteil jemand immmer versucht, das Gute zu sehen und den anderen zum Guten zu richten, wird auch er, wenn er G'tt behüte eine Sünde begeht, milde beurteilt werden.


Jeder Mensch ist mit einigen Fähigkeiten beschaffen, aber jedem Menschen fehlen auch einige Fähigkeiten. Daher sagen wir in der Bracha nach den meisten Speisen: "Er erschafft viele Kreaturen mit ihren Mängeln." Jeder hat also seine Bereiche, ist aber nicht vollständig. Dieses Wissen, dass man sich manchmal an andere Leute wenden muss, wenn man zum Beispiel einen Tischler, einen Arzt oder einen Installateur braucht, soll einen auch dazu bringen, zu verstehen, dass wir alleine nichts erreichen können, sondern auf die Hilfe G'ttes angewiesen sind.

In Paraschat Mischpatim werden vor allem viele zivilrechtliche Bestimmungen erläutert. Mosche hätte den Standpunkt vertreten können, dass diese Bestimmungen, entsprechend dem, was wir soeben gesagt haben, nur für die Richter und Anwälte des Volkes relevant sind. G'tt sagte deshalb ausdrücklich, dass diese Bestimmungen dem ganzen Volk erklärt und eingeprägt werden müssen. Deshalb lernen auch bis heute religiöse Juden auf der ganzen Welt die komplizierten zivilrechtlichen Vorschriften des Judentums.

Manche dieser Bestimmungen erscheinen uns logisch, andere wiederum widersprechen unserer Logik diametral. Das ist aber auch verständlich, wenn man in Betracht zieht, dass wir in einer Welt leben, in der die Tora und ihre Gebote nicht den höchsten Stellenwert haben, und in der wir vielfältigen Einflüssen ausgesetzt sind. Umso wichtiger ist es dann aber, diese Bestimmungen genau zu lernen.


In der dieswöchigen Parascha "Mischpatim" werden viele rechtliche Vorschriften erwähnt. Unter anderem kommt hier ein sehr bekannter Satz vor: "Auge statt Auge, Zahn statt Zahn, Hand statt Hand, Fuß statt Fuß, ..."

Die Gmara kommt diesbezüglich zum Schluss, dass hier aus mehreren Gründen keine Vergeltung in dem Sinn gemeint sein kann, dass das Opfer dem Täter den selben Schaden zufügen darf, den es selbst erlitten hat. Der Vers legt vielmehr ein Schadenersatzrecht fest, wonach ein Schädiger dem Geschädigten genau das ersetzen muss, was er an Schaden verursacht hat.

Allerdings hat dieser Vers in der Geschichte viele Missverständnisse und Fehlinterpretationen durch Gruppierungen bewirkt, die die schriftliche Tora wörtlich und ohne die mündliche Überlieferung auslegen wollten. Deshalb stellt sich die Frage, weshalb die Tora nicht explizit dazuschreibt, dass "Auge statt Auge" gezahlt werden soll.

Eine derartige Formulierung würde nahelegen, dass man den durch eine Schädigung eines anderen angerichteten Schaden durch eine finanzielle Entschädigung "wiedergutmachen" könne. Eine reiche Person könnte es sich leisten, anderen Schaden zuzufügen, und wäre durch eine Geldzahlung von jeglicher Verantwortung befreit. Doch das alleine reicht natürlich nicht. Man muss sich entschuldigen, und sich darum bemühen, dass das Opfer einem verzeiht. Abgesehen davon muss man natürlich auch den entstandenen Schaden finanziell ersetzen. 

Deshalb drückt die Tora mit dem gegenständlichen Vers aus: Eigentlich würde dem Schädiger gebühren, dass auch das Opfer ihn verletzt. Doch G'tt verzichtet in seiner Güte darauf und verpflichtet lediglich, zumindest finanziell zu entschädigen, soweit das möglich ist. Das bedeutet aber nicht, dass die Sache sich damit erledigt hat. 

Man soll seine Handlung so bewerten, wie man es bewerten würde, wenn man selbst das Opfer wäre. Wenn alle so denken würden, würde man entsprechend anders leben und sich anderen gegenüber auch besser verhalten.


In der Parascha dieser Woche befiehlt die Tora: "Einem Richter sollst du nicht fluchen, und einem Fürsten in deinem Volk sollst du nicht fluchen."

Nach dem Wunder von Chanukka und dem Sieg des jüdischen Volkes übernahmen die Chaschmonäer die Führung und regierten als Könige über das jüdische Volk. Das war ihnen aber verboten, da die Könige vom Stamm Jehuda kommen müssen. Nachdem als Strafe für das Übertreten dieses Verbots die gesamte Dynastie ausstarb versuchte Herodes, ein Abkömmling von freigelassenen Sklaven der Chaschmonäer, König zu werden. Als die Weisen ihm das verbieten wollten, da er ja auch nicht vom Stamm Jehuda war, richtete er kurzerhand alle bis auf einen, Bawa ben Buta, hin. Diesen verschonte er, um einen Ratgeber zu haben, stach ihm aber die Augen aus, damit von ihm keine Gefahr mehr ausgeht.

Eines Tages suchte König Herodes den blinden Bawa ben Buta auf, der ihn nicht erkennen konnte und versuchte ihn zu verleiten, den König, der immerhin alle Weisen des Volkes getötet und ihn selbst geblendete hatte, zu verfluchen. Doch Bawa ben Buta weigerte sich, mit dem Verweis auf den Passuk aus unserer Parascha. Auch weitere Versuche ihn zu überreden blieben erfolglos. Als Herodes das Wesen dieses einen Weisen, den er verschonte hatte, erkannte, und wie er die Kraft der Worte fürchtete, sah er seinen Fehler ein und wollte für seine Sünden Buße tun. Bawa ben Buta befahl ihm deshalb, den Tempel umfassend zu renovieren und zu verschönern.

Wir lernen daraus, wie groß die Kraft der Worte ist, und welche Bedeutung ihnen die Tora zuspricht.


In der dieswöchigen Parascha steht: "Wenn jemand seinem Nächsten einen Schaden zufügt, wie er getan hat, so soll ihm getan werden: Auge um Auge, Zahn um Zahn [...]". Die Gmara erklärt, dass die Tora nicht meint, dass einem, der einem anderen das Auge aussticht, auch das Auge ausgestochen werden müsse. Vielmehr muss er dem Geschädigten Schadenersatz zahlen.

Warum sagt die Tora das nicht deutlich?

Man soll nicht denken, dass Körperverletzungen durch Geldleistungen wiedergutgemacht werden können. Wenn man jemanden verletzt, soll man sich bewusst sein, dass einem eigentlich eine Bestrafung "Auge um Auge" gebühren würde.